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Er war der Hauptgärtner auf einem kleinen Bio Bauernhof und wohnte während der Saison in einem Bauwagen auf dem Gelände. Wenn es kalt war musste er mit einem Ofen heizen, aber da er in den sehr kalten Wintermonaten auf die Kanaren fuhr, waren es nur einige Wochen im Jahr, die er nicht in Hitze und Sonne verbrachte. Er führte ein Leben im Einklang mit den Pflanzen, die er hochzog, und hatte keine technischen Geräte. Außer einer Digitaluhr. Es war eine dieser Uhren die klobig und aus Plastik waren. In den 90ern hatten viele diese Uhr. Er fing sehr früh an zu arbeiten, da es in den Gewächshäusern schnell warm wurde. In der Mittagshitze saß er im Schatten und und hörte den Vögeln zu. Dann arbeitete er weiter und ging nach ein paar Bier in seinen Wohnwagen zurück und schlief ein. Er konnte sich aussuchen wann er die Arbeit beginnt und wann er aufhörte, aber es musste sich um die Pflanzen gekümmert werden. An den wenigen Tagen an denen es regnete, hatte er etwas mehr Ruhe, da er nicht gießen musste,.Doch wenn viel Ernte anstand und das Feld beregnet werden musste, musste er die Wassersprenger aufstellen, damit sie ihren Radius in alle Richtungen grünen. Es war schwer die quadratischen Felder mit Runden Kreisen zu bedecken. Er musste oft den Kompromiss treffen, dass einige Pflanzen ohne Wasser bleiben. Fern von dem 9am to 5pm Konzept waren seine Tage frei bestimmt, so wie er sein Leben gerne hatte. Es gab allerdings eine feste Struktur, die seinen Tag dann doch in Zeitintervalle einteilte. Denn die Digitaluhr piepte jede Stunde. Die Uhr ging zwar nach, da er entweder nicht genau wusste, wie er sie umstellt oder weil es ihm egal war. Denn jede Stunde piepte sie, ganz gleich welche Uhrzeit sie anzeigte. Wenn die Uhr zum fünften mal nach dem Aufstehen einen Ton von sich gab machte er eine Frühstückspause. Wenn er also auf dem Feld stand und gerade mit einer Harke den Bodenschluss des Beikrauts durch eine gekonnte Bewegung unterbrach und dann der helle Ton von seinem durch die Sonne verdunkelten Armgelenks kam, wusste er das eine weitere Stunde des Tages vorbei war. Eine weitere Stunde näher zu dem Zeitpunkt, indem er in den Flieger steigen wird und auf die spanische Insel zurückkehren wird. Seine Freundin und viele Bekannte warteten dort auf ihn. Und wenn hier in Deutschland die Tage kürzer und kürzer werden, das Geld verdient ist, dann wird er wieder bei Ihnen sein. Wie ein Zugvogel treibt es ihn dann in die Wärme. Wie die Vögel sich im nördlichen Sommer Fett für die lange Reise anfressen, so hortet auch er das Geld für den Ritt mit dem mechanischen Vogel und für die Zeit, die er auf der Insel so verbringen kann wie er mag.

Als er studierte, hatte er sich vorgenommen im Globalen Süden den ökologischen Landbau voranzutreiben. Er kannte sich bereits mit vielen Pflanzen der Tropen aus und lernte in seinem Studium auch über die Zusammenhänge von Agrarstrukturen und der Politik. Er wollte einen positiven Einfluss auf der Welt hinterlassen und hatte große Visionen von Erfolg und Anerkennung. Dogmatisch und stoisch verfolgte er dieses Ziel bis er auf seiner ersten Reise in den fernen Süden überwältigende Erfahrungen mit Rassismus, Gewalt und der Komplexität anderer Kulturen erfuhr. Es hatte ihn Kraft und Verstand gekostet und er brauchte Jahre um die entstandenen Wunden mit Meditation und Medikamentation zu heilen.

Er war noch immer Freiheitsliebend, aber die Zeit in der ihm diese Freiheit geraubt wurde und er ans Bett gefesselt nach den Lieben schrie, die er auf seiner Reise so sehr vermisst hatte, zerstörte den Glauben an Einigkeit der Weltseelen. Bis zu diesem Punkt dachte er, mit jedem Menschen eine gemeinsame Erfahrungsgrundlage zu haben. Das die Welt über die Grenzen von Europa so anders sein kann, wurde ihm eingetrimmt. Doch das seine Welt in Deutschland nicht so frei ist wie er immer dachte, wurde ihm eingebrannt.

Im Sommer konnte er es hier aushalten. Er musste. Er brauchte das Geld. Er brauchte die Uhr, die ihm sagte: Eine Stunde näher.

Nächstes Jahr wird er nicht wieder kommen. Er wird so weit wie möglich von Deutschland weg sein ohne die Grenze der EU zu verlassen. Der Vogel sieht diese Grenze nicht, doch er und alle, die er nicht verstand sahen sie mit einer Schärfe, die auch eine Pflanze sehen würde, wenn sie merken könnte, dass der Wassersprenger auf dem trocknen Feld sie gerade so nicht erreicht.